Der Landesvorstand hat auf seiner Sitzung am 30. April 2022 einstimmig eine Vertrauensgruppe benannt, an die sich alle Genoss*innen bei sexualisierten Belästigungen, Übergriffen, Diskriminierungen sowie verbaler und nonverbaler Gewalt wenden können.
Damit wird für Betroffene eine Möglichkeit geschaffen sich unabhängig vom jeweiligen Kreisvorstand und Landesvorstand an feste Vertrauenspersonen im Landesverband wenden zu können. Für die Betroffenen soll zunächst auch die Möglichkeit geschaffen werden, sich anonym an die unabhängigen (keine Vorstandsmitglieder, Mandatsträger*innen, bei Partei oder Fraktionen Beschäftige) Vertrauenspersonen zu wenden.
Die Vertrauenspersonen sind in erster Linie Anlaufstelle für sexistische Belästigungen und Übergriffe im Zusammenhang mit der Partei. Dabei leisten die Vertrauenspersonen keine therapeutische oder juristische Beratung, sondern organisieren die externe Begleitung (situationsbedingt notwendige Unterstützung, Nachsorge etwa durch Information und Vermittlung von externen fachärztlichen, psychologischen und rechtlichen Beratungsstellen, Dokumentierung eingehender Fälle, regelmäßiger Bericht an Landesvorstand über Zahl und Menge der ihnen gemeldeten Fälle, Vermittlung von Schulungen in den eigenen Strukturen zur Sensibilisierung der Mitglieder für die Sexismus-Problematik).
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Godela Linde
Godela Linde
Rechtsanwältin
Nach Jahrzehnten im gewerkschaftlichen Rechtsschutz bin ich nun als Anwältin tätig. Zu sexueller Belästigung habe ich ein Buch und Aufsätze veröffentlich und unzählige Veranstaltungen, überwiegend im gewerkschaftlichen Bereich, mit Betroffenen und Betriebsratsmitgliedern durchgeführt.
Ich bin aktiv in gewerkschaftlicher Frauenarbeit, im Moment auch als stellvertretende Vorsitzende des Bezirksfrauenrats ver.di Mittelhessen.
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Julia Schnepf
Julia Schnepf
Sozialpsychologin
Julia Schnepf, geboren am 15.03.1993 in Heppenheim an der Bergstraße, hat in Heidelberg Politikwissenschaft, Psychologie und Economics studiert. Seit 2018 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Koblenz-Landau und seit April 2022 promovierte Sozialpsychologin. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich hauptsächlich mit dem Einfluss der Sprache auf das menschliche Fühlen, Denken und Verhalten in politischen Kontexten. Dabei liegt einer ihrer Forschungsschwerpunkte auf der medialen Rahmung von Gewalt gegen Frauen und den Effekten auf Seiten der Medienrezipient*innen. Sie ist zudem Mitglied verschiedener psychologischer Organisationen, wie dem Forum Friedenspsychologie, und ist seit 2017 ehrenamtlich im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit eines Frauennotrufs tätig.
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Martin Schindel
Martin Schindel
evang. Pfarrer aus Ortenberg
- Martin Schindel, 58 Jahre alt, verheiratet; aus erster Ehe zwei fast erwachsene Kinder
- Evangelischer Gemeindepfarrer in Ortenberg/Hessen; vorher u.a. Jugendpfarrer in Giessen (2008 - 2012) und Beauftragter für die Prävention von Rechtsextremismus im ländlichen Raum (2013 - 2016)
- Studium ev. Theologie, Politikwissenschaft & Soziologie Marburg 1984 – 1992
- Arbeitsgebiete und Interessen: Theologie während des NS; Jüdisch-christlicher Dialog; Geschlechter-Gerechtigkeit; Sozialpolitik; alte und neue Motorräder; Pilze
Alle PfarrerInnen haben immer absolute Schweigepflicht; alle Entscheidungen über den Umgang mit einer Situation treffen die Betroffenen
Kontakt:
06046 – 7529
0170 – 6909869
(Foto: Privat)
Selbstverständnis
Ziel des Gremiums ist es, eine niederschwellige Anlaufstelle für Betroffene von parteibezogenem Sexismus und sexualisierter Gewalt zu sein und Strukturen zu bekämpfen, die beides ermöglichen. Unter Sexismus verstehen die Vertrauenspersonen Vorurteile und Diskriminierungsformen gegenüber Menschen auf Grundlage ihres Geschlechts. Die Forschungslage legt nahe, dass mehrheitlich Frauen durch die in der Gesellschaft vorherrschenden sexistischen Strukturen benachteiligt werden, aber auch Männer können Opfer von Sexismus sein – auch von Männern. Sexuelle Belästigung ist ein Verstoß gegen die Prinzipien der Partei DIE LINKE und ein grober Verstoß, wenn dabei hierarchische Strukturen zur Belästigung genutzt werden. Wer nicht selbst betroffen ist, aber ein derartiges Verhalten beobachtet, wird aufgefordert, dem Fehlverhalten aktiv entgegenzutreten.
Die Vertrauenspersonen
Das Gremium ist zusammengesetzt aus einer Rechtsanwältin, einer Sozialpsychologin und einem evangelischen Pfarrer. Die Vertrauenspersonen sind niemandem rechenschaftspflichtig, sind unabhängig und bekommen nur ihre Auslagen erstattet. Das Gremium übernimmt grundsätzlich keine Aufgaben, die in den Bereich der Polizei und Justiz fallen.
Der Landesvorstand hat in einem einstimmigen Beschluss die Vertrauenspersonen und ihre Aufgabenbereiche bestätigt. Unerlässliches Ziel des Gremiums ist es, das Vertrauen von Betroffenen zu erwerben. Das ist bislang nicht gelungen, weil das gegenseitige Misstrauen im Landesverband zu stark ist, was die Vertrauenspersonen in ihrer Arbeit beeinträchtigt. Wir haben mitbekommen, was uns auf Twitter seit Tag 1 vorgeworfen wird. Wir werden uns dort nicht äußern. Wir sind Personen, die einen starken Wunsch und Aktivismus haben, die Welt mit unserer ehrenamtlichen Arbeit etwas besser zu machen. Es ist belastend, so vorverurteilt und persönlich angegriffen zu werden. Und wir finden, dass es auch den Betroffenen nicht hilft, wenn ihnen abgeraten wird, Unterstützung durch uns zu suchen.
Beratungsangebot für Betroffene
Das Beratungsangebot der Vertrauenspersonen gilt für alle Menschen – unabhängig ihrer Geschlechtsidentität – die im Rahmen ihrer politischen Arbeit oder ihres politischen Engagements in der Partei DIE LINKE Erfahrungen mit Sexismus oder gar sexualisierter Gewalt machen. Damit werden auch außerparteiliche Sexismus-Erfahrungen eingeschlossen, die Betroffene beispielsweise im Rahmen von politischen Veranstaltungen, im Wahlkampf oder in privaten Räumen durch anonyme Akteure im Netz, politische Kontrahent*innen, Mitglieder anderer Parteien oder anderweitige Personen machen. Die Beratung folgt den Bedürfnissen der betroffenen Person. Diese bestimmt, was sie der jeweiligen Vertrauensperson in welcher Weise erzählen will. Die Vertrauenspersonen versuchen dennoch im Rahmen ihrer Beratung eine standardisierte, anonymisierte Dokumentation der Fälle zu etablieren. Die Vertrauenspersonen beraten die Betroffenen nach bestem Wissen und Gewissen und achten dabei stets auf die Bestimmungen des Datenschutzes. Sie verpflichten sich außerhalb des Gremiums strikt zur Schweigepflicht. Neben der psycho-sozialen Beratung können sie zudem zum Ergreifen weiterer juristischer Schritte raten und in solchen Fällen die betroffene Person begleiten.
Beratungsangebot für Parteigliederungen
Emanzipatorische Ansprüche sind unvereinbar mit sexistischen Strukturen! Deshalb werden die Vertrauenspersonen zur Unterstützung dieses Anspruchs Handlungsempfehlungen geben, die auch Strukturen der Partei betreffen können, denn Prävention ist notwendig. Wegen ihrer unbedingten Unabhängigkeit gilt dieses Angebot für alle Gliederungen aller Ebenen, z.B. Kreisverbände und Landesvorstand.
Workshop- und Schulungsangebot
Das Gremium der Vertrauenspersonen entwickelt ein Workshop- und Schulungsangebot, das zum Ziel hat, das Auftreten von innerparteilichem Sexismus und sexualisierter Übergriffe nachhaltig zu verhindern. Das Gremium empfiehlt verpflichtende Schulungen zum Thema Sexismus und sexualisierte Gewalt für Mitarbeitende und Amtsträger*innen der Partei sowie ein freiwillig nutzbares Workshop- und Schulungsangebot für Parteimitglieder.
Die Vertrauenspersonen haben die Hoffnung, dass im Zuge dieser Schulungen stabile und solidarische Arbeitsbeziehungen entstehen.
Weitere Informationen
Verhaltenskodex zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in allen Gliederungen und Arbeitsgemeinschaft im Landesverband Hessen.
Die Standards zum Schutz vor sexualisierter Gewalt sind für alle Parteigliederungen verbindlich. Betroffenen und Dritten wird es erleichtert, Grenzverletzungen zu benennen, sich Hilfe zu holen und somit auch sexualisierten Übergriffen und sexuellem Missbrauch Einhalt zu gebieten. Potentiellen Täterinnen und Tätern wird verdeutlicht, dass auf mögliche Grenzverletzungen und sexuelle Übergriffe geachtet wird.
Wir haben uns zusammengeschlossen zu einer neuen politischen Kraft, die für Freiheit und Gleichheit steht, konsequent für Frieden kämpft, demokratisch und sozial ist, ökologisch und feministisch, offen und plural, streitbar und tolerant.
DIE LINKE lässt sich von dem Ziel leiten, dass alle Menschen ... selbstbestimmt, in Würde und Solidarität leben können. Diesem Ziel liegt ein Menschenbild zugrunde, das von der Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte ausgeht und lediglich eine Begründung braucht: Weil ich ein Mensch bin. ... Unser Ziel eines Demokratischen Sozialismus im 21. Jh. ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft in der alle Menschen menschenwürdig leben können.“ (Auszug aus dem Erfurter Parteiprogramm)
Die Ziele für die wir arbeiten machen wir uns selbst zur Regel.
In der Linken arbeiten Menschen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft auf vielfältige Weise zusammen. Geprägt durch den Wohnort in Kreisverbänden, orientiert am Inhalt in Arbeitsgemeinschaften oder entlang des Alters bei solid oder in der AG Senioren.
Unsere Arbeit lebt von der vertrauensvollen Beziehung der Menschen untereinander. Wir wollen gemeinsam politisch arbeiten, Spaß haben, Lernen und Handeln. Dabei entsteht oft persönliche Nähe und eine Gemeinschaft, die uns Stärke gibt.
Alle Genossinnen und Genossen sollen die Sitzungen, Veranstaltungen und Aktionen der Partei als Orte erfahren, die von gegenseitigem Respekt, Zusammenarbeit, Empathie und Anerkennung geprägt sind.
Besonders Jugendliche und Menschen mit Behinderungen müssen sich aufgrund ihres jungen Alters oder ihrer spezifischen Beeinträchtigung auf unsere Vertrauenswürdigkeit und unseren Schutz verlassen können.
Unsere Gesellschaft ist nach wie vor von patriarchalen Strukturen geprägt, die in vielfältiger Weise gegenüber Schwächeren übergriffig ist.
Wir ergreifen Position gegen sexistisches, diskriminierendes und gewalttätiges verbales oder nonverbales Verhalten. Abwertendes Verhalten wird von uns benannt und nicht toleriert.
Wir dulden in unseren Reihen keine Grenzverletzungen. Jeder und jede ist aufgefordert unmittelbar zu reagieren, wenn er oder sie wir in unseren Reihen solche Grenzverletzungen wahrnehmen.
Betroffene können sich jederzeit direkt an ihren Kreisvorstand oder an den Landesvorstand wenden. Wir bieten Unterstützung, organisieren den Kontakt zu professioneller Hilfe und Beratung und schrecken auch vor juristischen Schritten nicht zurück. Alle Schritte finden immer nur in Absprache mit den Betroffenen statt.
(Beschluss des Landesvorstandes vom 4. März 2022)
Themenlinks:
- https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Leitfaeden/leitfaden_was_tun_bei_sexueller_belaestigung.pdf?__blob=publicationFile&v
- https://www.tu-darmstadt.de/media/informationsportal/wegweiser_medien/media_achtung/achtung_dok/Vortragsfolien_Sexualisierte_Diskriminierung.pdf
- http://www.maedchen-in-hessen.de - Beratung bei sexueller Gewalt
- http://www.wildwasser.eu/hessen - Beratungsangebote bei sexueller Gewalt
- http://www.paritaet-hessen.org/gewaltpraevention - Der Paritätische Hessen - Fortbildungen, Veranstaltungen, Arbeitshilfen
- https://www.hilfetelefon.de - Gewalt gegen Frauen -
- „Nein heißt Nein. Das neue Sexualstrafrecht“ Broschüre Offenbach